Trägt Deutschlands Exportwirtschaft Mitschuld an der Schuldenkrise in der Eurozone? Die französische Finanzministerin, Christine Lagarde, kritisierte am Montag, 15. März, in einem Interview der Financial Times die deutsche Wirtschaftspolitik und löste damit auf dem Treffen der Finanzminister eine Debatte aus. Sie warf dem Land vor, dass es durch seine starke Exportwirtschaft die EU-Partner schwäche. Der Grund: Das Land konsumiere und importiere selbst wenig Güter aus anderen EU-Ländern, führe allerdings weltmeisterlich Waren aus. Deutschlands Wachstum entspräche etwa dem Anteil, den andere Staaten einbüßten.
Finanzministerin Lagarde begrüßte zwar, dass Deutschland in den vergangenen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert und die Lohnkosten gedrückt habe. Doch äußerte sie bedenken, ob der deutsche Weg ein „nachhaltiges Modell“ für Europa sei.
Der deutsche Regierungssprecher wies die Kritik entschieden zurück: Die Exportwirtschaft zu stoppen und mehr unattraktive Waren zu produzieren, widerspräche dem europäischen Wettbewerbsgedanken. „Deutschland steht im Wettbewerb mit anderen großen Volkswirtschaften“, erklärte der deutsche EU-Energiekommissar, Günther Oettinger. Reformen in Deutschland rückgängig zu machen, sei ein Gang in die falsche Richtung. Er forderte sogar: „Wir benötigen in Europa mehr Reformen, wie sie in Deutschland gemacht worden sind.“
Dagegen befürwortete der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) den französischen Einwand. DGB-Chefökonom Dirk Hirschel forderte eine solidarische Strategie, die die Eurozone als Gemeinschaft stärkt. Insbesondere da viele EU-Parnter durch die Finanzkrise sich nicht nur enorm verschuldet hätten, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hätten.
Zuvor hatte bereits der italienische Finanzminister Giulio Tremonti die EU-Länder aufgerufen, mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen. Die Spannungen zwischen den reicheren und ärmeren Ländern würden in der EU-Zone ansonsten zunehmen, warnte er. EU-Währungskommissar Olli Rehn kündigte in der Süddeutschen Zeitung bereits an, bald einen Vorschlag vorzulegen, um die Zusammenarbeit der EU-Partner zu verbessern. Die Kritik der französischen Finanzministerin ist bei französischen Ökonomen nicht unumstritten und stößt zum Teil auf Kritik. Marc Touati, Chefökonom von Global Equities, wirft der französichen Regierung vor, selbst Reformen versäumt zu haben. Er sagte in einem Gespräch einer deutschen Tageszeitung, er halte es für merkwürdig, ein Land zu kritisieren, das bereits vor Jahren nötige Reformen in Gang gesetzt habe und sich deswegen gegenwärtig gut schlage. |